Nach Schlichts Worten gibt es in Niedersachsen derzeit 520 Salafisten.
Auch wenn die extremistische Bewegung innerhalb des Islam eine „flächendeckende Herausforderung“ in Niedersachsen wäre, lägen die Hochburgen doch in Wolfsburg, Braunschweig, Hildesheim oder Hannover. Deutlich appellierte sie ebenso wie Prälat Peter Kossen in seiner Begrüßung daran, den Islam nicht mit seiner extremen Form des sogenannten ‚Islamismus‘ gleichzusetzen.
Cloppenburg, wo auch bereits Koran-Exemplare durch Salafisten verteilt worden seien, „ist kein Schwerpunkt“, machte die Expertin klar. Das Oldenburger Münsterland könne nicht mit den Großstädten verglichen werden. Dem Verfassungsschutz sei bekannt, was in Cloppenburg passiere.
Die meisten der 520 Salafisten gehörten – ebenso wie in ganz Deutschland - zum politischen Flügel der Bewegung. Zwar sei ihr Ziel ebenso wie das des Jihad-Flügels ein eigener Staat. Letztere Gruppe setze dabei aber auf das Mittel der Gewalt. Aus dieser Vereinigung stammten „die Leute, die ausreisen“, sagte die Islam- und Politikwissenschaftlerin. Für sie sei es ein ‚Muss‘ gegen die Feinde des Islam zu kämpfen.
Beiden Gruppierungen gleich sei allerdings, „dass sie die frühere Zeit verherrlichen“, berichtete Schlicht. Dafür würden sie sich kleiden wie in der Zeit des frühesten Islam. Würden speisen wie damals und ihren Körper auf die gleiche Art pflegen. „Sie lehnen das, was sich seit 1.400 Jahren entwickelt hat ebenso ab wie die islamische Theologie“, so die Referentin.
Sowohl alle Muslime als auch alle anderen Menschen würden „systematisch abgelehnt und abgewertet“. Religiöse Werte, Begriffe und Normen würden politisch aufgeladen. Weil es andererseits keine Mitgliederlisten gebe, sei die salafistische Bewegung „nicht einfach zu durchschauen“, berichtete die Mitarbeiterin des Innenministeriums.
Deren Anhänger würden in Fußgängerzonen beispielweise Druck auf unverhüllte muslimische Frauen ausüben, sich zu verschleiern. Von rauchenden muslimischen Männern fordern sie, dies zu unterlassen.
Im Blick auf Jugendliche agiere die Bewegung äußerst geschickt, schilderte die Referentin. Wer im Internet zum Islam recherchiere, treffe mit hoher Wahrscheinlichkeit aus salafistische Seiten, ohne dies zu erkennen. Erahnen könne man dies bei Formulierungen wie „Die einzig wahre Religion“.
In als „Islamseminare“ kaschierten Wochenendveranstaltungen geschehe „eine knallharte Indoktrinierung wie in einer Sekte“, schilderte die Präventionsbeauftragte. „Den Leuten wird der Kopf gewaschen.“ Auch werde neuen Besuchern sofort jemand zur Seite gestellt, beschrieb die Expertin. Dass man die vermeintlichen Feinde des Islam hassen müsse, würde in Online-Magazinen ebenso beworben wie in Zeitschriften. Etwa in Anleitungen „Wie man in der Küche der Mutter eine Bombe basteln kann“.
Auch würden musikalische Kampfgesänge genutzt, um Menschen emotional anzusprechen. Idealistische junge Menschen würden in dem Glauben zur Ausreise verlockt, „dass sie auf diese Weise das Sterben von Kindern verhindern könnten“, sagte Schlicht. „Wenn sie in den Reihen der IS stehen, ist es nicht mehr so leicht, wieder in die Heimat zu kommen. Sehr schnell zutiefst traumatisiert, würden die Anhänger vom IS dann aber verfolgt und bedroht. „Junge Menschen, die naiv geglaubt haben, etwas Gutes zu tun.“
Was macht die ultrakonservative Strömung innerhalb des Islam so attraktiv? „Ähnlich wie der Rechtsextremismus spricht sie die Bedürfnisse junger Menschen an“, gab Schlicht als Erklärung. Die Bewegung gebe eine klare Orientierung: „Es gibt nur schwarz oder weiß. Grautöne kennt der Salafismus nicht.“ Er böte eine Identität beispielsweise für Deutschtürken, die sich nirgendwo ganz zugehörig fühlten.
Mitglieder der salfistischen Bewegung könnten „einer weltweiten Community entsprechend handeln“, sagte Schlicht. „Eine Ersatzidentität: Da bist Du akzeptiert so wie Du bist.“ Salafisten seien die einzigen, die in den Himmel kämen, alle anderen in die Hölle, führte die Rednerin aus.
Für diejenigen, die ohne Vater, ohne Bezugspersonen aufwüchsen, werde über die Anrede von ‚Bruder‘ und ‚Schwester‘ die Salafistenszene zum „Familienersatz“. Salafisten seien die besseren Streetworker, zitierte Schlicht. „Sie wissen genau, welche Probleme ein heute 16-Jähriger hat.“
Angeworben werde heute auch in Flüchtlingsunterkünften. Dort würden Fahrer gestellt, welche die Möglichkeit böten, Interessierte zum Gebet in eine Moschee zu bringen. Wenn Dolmetscher gestellt oder regelmäßige Spenden überwiesen würden, gelte es, „die Augen aufzumachen“, appellierte die Verfassungsschützerin. Ein Warnzeichen für Eltern zu Hause sei, wenn beispielsweise salafistische Fahnen oder andere Zeichen aufgehängt würden. Grundsätzlich riet sie Erziehenden, „auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen“.
Eindringlich mahnte sie, den Islam im Allgemeinen nicht mit seinen extremistischen Formen gleich zu setzen. Rechtsextremistische Gruppierungen täten dies, indem sie jeden Muslim als potentiellen Terroristen oder als „Wolf im Schafspelz“ bezeichnen würden.
Dass Muslime in großer Zahl zu Deutschland gehören und Deutsche seien betonte Prälat Peter Kossen zuvor in seiner Begrüßung in Anlehnung an den Satz von Christian Wulff. „Damit gehört auch ihre Religion, der Islam, zum modernen Deutschland“, sagte Kossen.
Ziel der Caritas-Veranstaltung sei es, den Muslimen und ihrer Religion mit Respekt und Hochachtung zu begegnen. Wichtig seien das offene Gespräch und die wechselseitige Gastfreundschaft, stellte der Theologe klar.
Andererseits werde bei der Begegnung von Religionen und Kulturen “manches nie zusammenpassen“, machte der Kossen deutlich. „Manches kann auch nicht zur Disposition gestellt werden. Gefahren, die vom Salafismus ausgehen, müssten klar benannt werden, forderte der Vorsitzende des oldenburgischen Caritasrates.
Kontakt zur Hilfe und Beratung:
www.beraten-niedersachsen.de
Niedersächsischer Verfassungsschutz: 0511/6709-217
oder jede Polizeidienststelle
Text: Dietmar Kattinger