Vechta, Stapelfeld, 3.9.; Seit mehr als dreißig Jahren ist Franz Meurer Pfarrer in zwei der ärmeren Stadtteilen Kölns. 60% der Kinder leben dort in Armut. Meurer hat viele Bücher über die katholische Soziallehre geschrieben, ist selbst sehr belesen und ein Mann mit Prinzipien. Am Mittwochabend sprach der oft als Sozialpfarrer bezeichnete Theologe über seine Arbeit und darüber, wie Kirche im Sozialraum aufblühen kann. Der 73-jährige initiierte in seiner Gemeinde auch eine Essensausgabe, eine Kleiderkammer und mit dem Hö-Vi-Land ein dreiwöchiges Ferienangebot für inzwischen jährlich rund 500 Kinder.
Birgit Henseler, Referentin in der Fachstelle für Pastorale Bildung und Begleitung, hatte Meurer zusammen mit dem Netzwerk Ehrenamt eingeladen. Sie stellte Meurer zu Beginn des Abends vor als Priester, der über Jahre eine starke Sozialpastoral aufgebaut hat. In seiner Gemeinde engagieren sich zahlreiche Menschen, darunter viele, die selbst von Armut betroffen sind. „Diese Berichte machen mir Hoffnung, dass so etwas in Kirche möglich ist“, sagte sie.
Meurer engagiert sich für den Gemeinsinn und das Gemeinwesen. In seiner Pfarrei leben etwa 23.000 Menschen, davon ca. 80% Muslime. „Wir sind der entscheidende Kulturträger“, sagte er. Das sei so, weil sie andere Gruppen zu deren Bedingungen in die Arbeit mit einbezögen, erklärte er. Dem staunenden Publikum berichtet der überregional bekannte Priester über Haltungen, die seine Arbeit prägen: „Ökumenisch ist doppelt so gut und halb so teuer.“ „Geschwisterlichkeit ist nicht einklagbar. Doch das ist unser Ding, das müssen wir vorleben“, ist für ihn ein Leitsatz. Ein weiterer: „Wo es arm ist, darf es nicht ärmlich sein!“
Es gehe darum, etwas in Bewegung zu bekommen, leitete er ein. „Wir versuchen, in unserem Viertel das zu machen, was den Menschen nützt“, erzählt er. Wenn sie das nicht täten, hätten sie keine Gremien und keine Messdiener! „Wir wären als Kirche nutzlos“, stellt er fest. Konkret machte er das unter anderem am Hö-Vi-Land. Diese 1994 in enger ökumenischer Zusammenarbeit gegründete Initiative, ist in den Sommerferien eine beliebte Anlaufstelle für die Kinder aus den Stadtteilen. Über drei Wochen wird ihnen in dieser Zeltstadt ein Ferienprogramm, mit Ausflügen und geregelten Mahlzeiten geboten. Die Arbeit wird mit Spenden ermöglicht, mit öffentlichen Mitteln und dadurch, dass sich viele Menschen einbringen. Viele Kinder könnten sich das Angebot sonst nicht leisten. Eine Ferienreise sei für ihre Familien ohnehin nicht möglich.
„Wir müssen vom Guten überzeugt sein“, betont Meurer. Es sei wichtig, wahrzunehmen, was in der Gesellschaft passiert und dann christliche Schlüsse daraus zu ziehen. Er empfiehlt, zu schauen, wo etwas sei, um das sich niemand kümmere. Dort könne man etwas anbieten. Das gelte für jeden Einzelnen, denn „Barmherzigkeit ist die Macht des Individuums.“ Dabei müsse man überlegen, was man realisieren könne und was eben nicht.
Meurer plädiert in seinem Vortrag immer wieder für die Demokratie. „Demokratie lebt in unserer Kirche auf“, stellt er fest. Zur Demokratie gehöre natürlich die Stimmabgabe, aber auch der Respekt untereinander und die Frage, wie wir miteinander leben wollen. „Gute Ideen dürfen nicht von der Zustimmung des Pfarrers abhängen“, sagt Meurer. „Wer es macht, hat die Macht“, ergänzt er. Die Ehrenamtlichen engagieren sich, wenn man sie mit ihren Stärken machen ließe und wenn sie sehen, dass ihr Einsatz wirkt. „Wenn ich den Ehrenamtlichen reinrede, sind sie weg!“
Johannes Hörnemann