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Wenn individuelle Wünsche zu moralischen Kriterien werden

17. November 2017 - Haltern, Vechta

Prof. Kos über ethische Entscheidungen an den Grenzen des Lebens

Wenn es um Werte geht, werden Lehrerinnen und Lehrer oft mit Schüleraussagen konfrontiert wie: „Das muss doch jeder selber wissen, wie er sich entscheidet.“ Diese Rückmeldungen haben Dr. Christian Schulte, Leiter der Abteilung Religionspädagogik beim Bistum Münster, und Dr. Christof Gärtner vom Institut für Lehrerfortbildung in Essen motiviert, die Jahrestagung für Religionslehrerinnen und Religionslehrer an Berufskollegs unter dieses Thema zu stellen. Knapp 60 Teilnehmer aus dem Bistum Münster tauschen sich am 16. und 17. November in der Heimvolkshochschule Gottfried Könzgen in Haltern über „Ethische Entscheidungen an den Grenzen des Lebens“ aus. Zur Einführung sprach Prof. Dr. Elmar Kos von der Universität Vechta.

Elmar Kos bei seinem VortragGroßansicht öffnen

Elmar Kos, Professor für Systematische Theologie-Moraltheologie, lehrt seit 2003 an der Universität Vechta und der Universität Osnabrück.

Der Moraltheologe hat sich mit dem gesellschaftlichen Trend auseinandergesetzt, individuelle Wünsche zu moralischen Kriterien zu machen. Dies werde zurzeit vor allem im medizinischen und biotechnischen Bereich spürbar. In der Sterbephase habe die Berücksichtigung der Wünsche der Betroffenen eine hohe Plausibilität. Dass es aber auch Grenzen gebe, habe die Diskussion über Suizidhilfe vor dem Gesetzgebungsverfahren gezeigt. „Ich sehe zwei Gefahren, die uns durch diesen Trend drohen. Einmal kann die Bedeutung individueller Wünsche dazu führen, dass wir die Menschen mit ihren Entscheidungen allein lassen, wo sie Beratung und Begleitung bräuchten. Und dann ist es viel grundsätzlicher eine Gefahr des Freiheitsverständnisses“, erklärte der Theologieprofessor. „Wenn wir Freiheit in dieser Weise an die Erfüllung der Wünsche binden, entstehen neue Zwänge, die wir nur schwer erkennen können.“ Dann werde die Frage aufkommen, warum diejenigen, die es wünschten, nicht die Möglichkeit einer technischen oder medikamentösen Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit - beispielsweise ihrer kognitiven Fähigkeiten - nutzen sollten.

„Menschen, die diese neuen Möglichkeiten nutzen, werden dann unter den Druck der Selbstoptimierung geraten. Und die dies nicht nutzen, kommen unter Druck, weil sie nicht dieselbe Leistung erbringen“, erläutert Kos Gefahren dieses Trends. Hier könne der christliche Glaube eine wichtige kritische Funktion übernehmen. „Für den christlichen Glauben ist eine grenzenlose Freiheit eine unmenschliche gnadenlose Freiheit. Das christliche Freiheitverständnis macht Ernst damit, dass sich menschliche Freiheit nie an Bedingungen und damit an Begrenztheit vorbei verwirklichen kann. Damit können wir den blindwütigen Optimismus der Machbarkeit relativieren“, führte Kos aus.

Ludger Heuer