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Von der Büffelzüchterin zur Eremitin

12. November 2019 - Stapelfeld

Maria Anna Leenen berichtet bei Martinsabend über ihr Leben mit Gott

Ob sie sich so alleine im Wald nicht fürchte, wollte eine Zuhörerin wissen. „Nein, was soll mir schon passieren. Erstens findet mich keiner, und wenn doch einer kommt und „Geld oder Leben“ fordert, dann müsste ich ihm sagen: Das Leben, Geld habe ich keins“, sagte Maria Anna Leenen. Seit 25 Jahren lebt die 63-Jährige als Eremitin in einer kleinen Klause im Artland. Sie schreibt geistliche Gedichte und Bücher, bietet geistliche Begleitungen an und hält hin und wieder Vorträge über ihr Leben mit Gott. Gestern sprach sie darüber beim traditionellen Martinsabend in der Katholischen Akademie Stapelfeld. Ihr Leben hat mit dem des bekannten Heiligen einige Parallelen. Denn wie er steht sie nicht gerne in der Öffentlichkeit. Als junger Mann hatte Martin fünf Jahre auf einer einsamen Insel im Golf von Genua gelebt. Und auch nachdem er im Jahr 372 Bischof geworden war, hatte er sich immer wieder in die Einsamkeit zurückgezogen.

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Die Eremitin Maria Anna Leenen (sie möchte auf dem Foto nicht erkannt werden) berichtet beim Martinsabend über ihr Leben

Auf Einladung der Akademie und des Bischöflich Münsterschen Offizialats hörten ca. 150 Personen staunend zu und stellten viele Fragen. „Ich trage keinen Habit, bin nicht weltfremd, keine Nonne und ich schlafe nicht in einem Sarg“, räumte Maria Anna Leenen mit einigen Klischees auf. Eremiten gebe es in Deutschland seit dem vierten Jahrhundert. Seit den frühen 1970er Jahre sei diese Lebensform hier immer populärer geworden. Heute wären allein in Deutschland über einhundert bekannt. Sie gehöre keinem Orden an, sondern unterstehe dem Bischof von Osnabrück, vor dem sie ihr Gelübde abgelegt habe.

Der Lebensweg der gebürtigen Osnabrückerin verlief ursprünglich alles andere als eremitisch. Mit 29 Jahren übersiedelte die evangelische Sportlehrerin und Bewegungstherapeutin mit ihrem Freund nach Venezuela. „Wir wollten dort Wasserbüffel züchten und schnell reich werden.“ Über 400 hatten sie auf ihrer Farm. Ein tolles Leben. Doch irgendwann merkte sie, dass ihr etwas fehlte. Hungrig nach Lesestoff verschlang sie ein Buch eines Mitarbeiters über Marienerscheinungen. „Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Dieser einfache Satz aus dem Buch bewirkte bei ihr eine Lebenswende um 180 Grad, berichtete sie. „Man kann das wohl nur schwer verstehen.“ Nach eineinhalb Jahren war sie wieder in Deutschland und auf der Suche nach einem Leben mit Gott. Sie engagierte sich in der Obdachlosenhilfe und näherte sich dem katholischen Glauben an, den sie schon in Venezuela intensiv kennen gelernt hatte. Nach ihrem Übertritt zum Katholizismus probierte sie klösterliches Leben bei einer Ordensgemeinschaft in Münster aus, merkte dann aber doch, dass ihr das Eremitenleben mehr lag. Eine passende Klause fand sie nach längerer Suche im Artland.

Zuerst sei Einsiedelei wie ein spiritueller Urlaub, erfuhr sie es. Doch dann beginne ein unmerklicher Prozess der Einsamkeit. Kein Telefon, kein Radio, kein Fernseher, keine Partys, kein Shoppen oder Doppelkopf. Nur arbeiten, beten, die Einsamkeit mit sich selbst und Gott. Und seit einigen Jahren auch mit 13 Ziegen. Natürlich könnten nicht alle Christen als Einsiedler leben, aber das Eremitentum gehöre zum Christentum dazu, sagte Anna Maria Leenen, die von vielen intensiven Gotteserfahrungen und Kraftzentren berichtete. So ein Leben solle man aber nicht zu früh beginnen. Frühestens mit 30 oder 35 Jahren sei man dafür stabil genug, ist ihre Erfahrung.

Viel zum Leben braucht sie nicht. Ihren Unterhalt bestreitet sie durch ihre Ziegen, einzelne Vorträge und das Schreiben von Büchern und Gedichten. Dafür hat sie inzwischen auch einen Computer und eine Telefonleitung. Und wer sich mal in ihr Leben hineinversetzten möchte, für den hatte sie einen Tipp: „Fangen sie klein an und versuchen Sie einfach, zehn Minuten still zu sein und nichts zu machen. Da merken sie schnell, wie lang zehn Minuten sein können.“

Ludger Heuer