Im Treppenhaus hat es bei Familie Rott schon viele intensive Gespräche gegeben – auch über den Glauben. „Kinder fragen plötzlich, zwischen Tür und Angel. Und sie wollen dann auch eine Antwort haben“, sagt Gabriele Rott schmunzelnd. Das sei schon bei ihren mittlerweile erwachsenen Kindern so gewesen – und nun auch bei den Enkeln, Jonas und Thilo. Ganz wichtig ist der Osnabrückerin dann: „In dieser Situation muss man sich die Zeit nehmen und die Augenblicke nutzen, in denen sie offen sind“ – und wenn es bei Oma und Opa auf der Treppe ist.
So wie Gabriele Rott wünschen sich viele Großeltern, dass der Glaube weitergeht. Doch die Kinder und Enkel gehen oft kaum oder gar nicht mehr zur Kirche. Der fehlende Glaube führt zu vielen Fragen: Was habe ich in der Erziehung falsch gemacht? Warum heiraten meine Kinder nicht kirchlich? Soll ich mich einmischen, wenn es um die Taufe der Enkel geht?
Viele dieser Sorgen hört auch Marén Feldhaus auf Seniorennachmittagen, die sie regelmäßig besucht. „Das ist immer wieder Thema“, erzählt die Referentin für den „Sachbereich 60plus“ im Bischöflichen Offizialat Vechta. Oft hört sie Sätze wie: „Ich würde meinen Enkeln mehr Begegnung mit Gott wünschen.“ Die Gerontologin ermutigt die Senioren, nicht zu resignieren, sondern sich einzubringen: „Mit ihrem Schatz an Erfahrungen und Wissen sind sie für ihre Enkel wichtige Ansprechpartner.“ Wie das gelingen kann, hänge aber von vielen Faktoren ab. Sind sich Eltern und Großeltern einig über die religiöse Erziehung? Was für eine Beziehung habe ich zu den Enkeln? Wie oft sehe ich sie?
Gabriele Rott hat Glück: Ihre beiden Enkel wohnen in der gleichen Straße, sie sehen ihre Oma oft. Und ihre Tochter Katrin ist froh, dass die Großeltern helfen, den Kindern christliche Werte zu vermitteln. So nehmen Oma und Opa die Enkel oft mit in den Gottesdienst, erzählen ihnen biblische Geschichten, sie beten mit ihnen, segnen sie oder begleiten sie beim Sternsingen. Ganz wichtig ist Gabriele Rott dabei, über das zu sprechen, was sie tun, einen Bezug zum Alltag herzustellen: „Sonst steht das alles im luftleeren Raum.“ Sicher komme sie bei Fragen und Kritik der Kinder auch an ihre Grenzen, gibt sie zu. „Die Kinder werden heute ganz anders groß als ich, haben eine andere Wahrnehmung. Da Religion als sinnvoll zu vermitteln, ist oft schwer.“ Um hier besser aufgestellt zu sein, besucht sie seit einem Jahr in der Gemeinde eine „kritische Fragestunde“, in der sie sich über Glaubensfragen austauschen kann. Hier habe sie sehr viel für sich gelernt und entdeckt – und kann es auch besser weitergeben: „Wir müssen uns unsere eigene Meinung bilden und dürfen keine Lehrbuchmeinungen aufsagen“, ist sie überzeugt.
Aktuelles
Staunen, fragen, Gott entdecken
12. Juni 2017 - Vechta
Großeltern können für Enkelkinder Ansprechpartner sein
Mit ihrem Schatz an Erfahrungen und Wissen sind Großeltern für ihre Enkelkinder wichtige Ansprechpartner. Gerade bei Fragen rund um Gott, Religion und Kirche können sie die Kinder begleiten – und auch selbst ihren Glauben neu kennenlernen.

© Offizialat/Hörnemann
Sabine Orth und Marén Feldhaus
Um den Fragen und Sorgen der Großeltern ein Forum zu bieten, hat auch Marén Feldhaus mit ihrer Kollegin Sabine Orth zu einem „Kurs für Großeltern“ eingeladen, der auf große Resonanz stieß. Unter dem Motto „Staunen, fragen, Gott entdecken“ konnten Großeltern sich austauschen, Fragen stellen, Sicherheit tanken und über ihren eigenen Glauben sprechen. „Es geht auch immer um die eigene Glaubensbiografie. Was hat sich verändert? Was glaube ich? Und was will ich weitergeben?“, erklärt Sabine Orth. Sie ist überzeugt: „Oma und Opa können anders mit den Enkeln über den Glauben sprechen. Sie sind entspannter, haben Zeit, dürfen verwöhnen.“ Viele Großeltern hätten aber Angst, etwas Falsches oder nicht mehr Zeitgemäßes zu sagen, die Fragen der Kinder nicht beantworten zu können. Die Referentinnen machen Mut: „Niemand ist perfekt. Machen Sie sich gemeinsam auf die Suche nach Antworten! So können auch die Großeltern profitieren. Es ist eine Win-win-Situation – und eine große Chance für alle.“
Berna Sassen war eine Teilnehmerin des Kurses und ist mit einem Rucksack voller Ideen und Erkenntnissen wieder nach Hause zurückgekehrt. „Ich wollte mal andere Wege finden, mit Kindern über den Glauben zu sprechen“, erzählt die vierfache Großmutter. Vor allem habe sie gelernt, die Kinder selber mehr erzählen zu lassen, sie mit Nachfragen aus der Reserve zu locken und nicht sofort ihre eigenen Vorstellungen mitzuteilen. „So war ich letztens mit meiner Enkelin auf dem Friedhof und sie fragte mich, wie das denn sein könne, dass die Toten bei Gott sind.“ Anstatt sofort zu antworten, habe sie erst einmal nachgefragt: „Was meinst du denn?“ So sei nach und nach ein gegenseitiger Austausch entstanden. „Das hat mich schon fasziniert“. Ansonsten setzt Familie Sassen auf viele kleine Rituale, die für die Enkel zum Leben bei Oma und Opa dazugehören: Wenn die Kinder bei ihnen übernachten, beten sie mit ihnen vorm Schlafengehen, auf dem Weg in die Eisdiele wird kurz in der Kirche vorbeigeschaut und in der Osterzeit zierten Osterkerze und ein selbstgebasteltes Kreuz aus Ästen den Esstisch der Großeltern: „Es sind kleine Zeichen, die uns sehr wichtig sind“, so Berna Sassen.

© Offizialat/Heuer
Großeltern-Enkel Wallfahrt 2016 in Bethen
Pfarrgemeinden können aktiv werden
Dieser Glaubensaustausch mit den Enkeln ist für Marén Feldhaus eine „Glaubensquelle ohne Ende“, die nicht verloren gehen darf. Hier könnten sich auch Pfarrgemeinden gut einsetzen. So bietet die St.-Andreas-Pfarrei in Cloppenburg seit kurzem eine „Großeltern-Enkel-Messe“ an, in der liturgische Elemente erklärt werden. „Wie mache ich ein Kreuzzeichen und warum?“ „Wieso falten wir die Hände zum Gebet und sagen nach jedem Gebet Amen?“ Auf diese Fragen wollen die Verantwortlichen Antworten geben, so die Idee des Projekts, das „sehr gut angenommen wird“, wie Kaplan Thorsten Brüggemann berichtet. Auch spezielle Wallfahrten für Großeltern und Enkel erfreuen sich wachsender Beliebtheit. In Bethen bei Cloppenburg kamen im vergangenen Jahr fast 200 Teilnehmer, „um ein paar schöne Stunden mit den Enkeln zu erleben“, erzählt Marén Feldhaus, die die Wallfahrt mit vorbereitet. Neben dem religiösen Erleben im Gottesdienst wird dabei viel Wert auf Gemeinschaft und gemeinsames Tun gelegt. So hat jede Wallfahrt ein Thema, zu dem gebastelt und gearbeitet wird.
Ihren Enkeln positive Kirchenerlebnisse mitzugeben, soziale Kontakte und ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln, das ist auch Gabriele Rott sehr wichtig. „Dafür brauchen wir aber gute Aktionen und Angebote, die die Kinder ansprechen“, betont sie. Bei allem Engagement müsse man aber letztlich auch darauf vertrauen, dass irgendwann aufgeht, was man gesät hat. Ob bei Gesprächen im Treppenhaus, auf dem Friedhof oder beim Abendgebet mit Oma auf der Bettkante.
Astrid Fleute, Kirchenbote Osnabrück