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Die Kinder zum Staunen bringen

11. November 2016 - Stapelfeld

Aus der Martinsgeschichte lässt sich viel lernen

Zum sechsten Mal hatten die Katholische Akademie Stapelfeld und das Bischöflich Münstersche Offizialat zum heutigen Martinstag eingeladen. Knapp zweihundert Zuhörer kamen am gestrigen Vorabend nach Stapelfeld, um den Frankfurter Kapuzinerbruder Paulus Terwitte (57) zu erleben. Terwitte ist bundesweit bekannt als Seelsorger und Prediger, Journalist, Fernsehmacher und Buchautor. In seinem Vortrag erklärte er witzig und nachdenklich, wie man erkennbar als Christ leben kann. Für seine Zuhörer hatte er einige überraschende Tipps dabei.

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Der Kapuziner Paulus Terwitte sprach zum Martinstag in Stapelfeld.

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Martin sei der erste Heilige gewesen, der ein Kommunikationsereignis gewesen sei, sagte Akademiedirektor Dr. Heinrich Dickerhoff in seiner Einführung. Als erster Heiliger sei er nicht wegen eines Martyriums, sondern wegen seines Lebens heiliggesprochen worden. Die Szene der Mantelteilung habe sich in das kollektive Gedächtnis Europas eingegraben. „Bei Martins Geschichte geht es heute nicht mehr darum, dass wir unsere Oberbekleidung in Stücke schneiden, sondern darum, wie ich teile, ohne dass es den anderen nicht demütigt.“

Er möchte den Abend dem 2010 verstorbenen Bruder Wendelin Gerigk aus Garrel widmen, begann Terwitte seinen Vortrag. Kennengelernt habe er ihn mit 19 Jahren beim Eintritt in den Orden. Wendelin, damals Pförtner im Kloster Werne, sei ihm ein wichtiger Lehrer gewesen und habe später das Frankfurter Franziskustreff gegründet, eine Obdachloseneinrichtung, die Terwitte heute leitet.
Mit seinem Wunsch, Theologe zu werden, habe er seinen Vater schwer enttäuscht, erzählte der im münsterländischen Stadtlohn aufgewachsene Terwitte. Sein Vater wollte, dass sein Sohn den väterlichen Gartenbaubetrieb übernehme. Und er wollte einen harten Mann aus ihm machen. Mit 15 erklärte er dem Vater, dass er den Betrieb nicht übernehmen und stattdessen auf das Gymnasium wolle. Ein Jahr lang habe sein Vater nicht mehr mit ihm gesprochen. „Doch Naturentwicklung und Evolution geschehen nur aus Abweichungen. Die Abweichung ist das Tor zu neuem Leben“.

Bei einem Seminar in Freckenhorst habe er den ultimativen Zugang zur Kirche gefunden. „Die Taufe hat mich befähigt, ein origineller Mensch nach Gottes Abbild zu sein und nicht mehr Mamas und Papas Sohn“, hatte er dabei gelernt. Direkt nach dem Abitur trat er in den Orden ein. Diesen Schritt habe er nie bereit, erklärte Terwitte. Die Kirche und Christus habe er immer als Hort der Freiraum erlebt, nie als Unfreiheit, beteuerte er.

„Bringen Sie ihre Kinder zum Staunen“, antwortete er auf die Frage aus dem Publikum, wie man den Glauben und die Begeisterung für Gott weitergeben könne. „Erzählen Sie ihren Kindern nichts von Religion, sondern leben sie sie vor. Dann staunen die Kinder, und Staunen ist der Anfang des Lebens.“ Das kürzeste Wort für Religion sei „Unterbrechung“, d.h. ein Gebet mitten am Tag. „Weil Gott mir etwas wert ist, unterbreche ich etwas. Wir sehnen uns nach Menschen mit Haltung, auch wenn wir nicht immer einverstanden mit ihr sind.“ Martin sei ein solcher Mensch gewesen, der in einem bestimmten Moment nicht getan hat, was sein Heerführer von ihm erwartet hatte, sondern gespürt habe: Ich muss herunter von meinem hohen Ross. „Letztendlich war es der Bettler, der Martin gelehrt hat. Denn er war schon oben und hat Martin zu seiner eigenen Berufung erhoben.“

Mit einer nachdenklichen Aufgabe entließ Terwitte seine Zuhörer zu den süßen Martinsgänsen im Vorraum: „Wann war Ihr Moment, als Sie vom Ross herabgestiegen sind? Wann haben sie etwas Ungewöhnliches gemacht, was alle überrascht hat. Suchen Sie solche Heilige des Alltags. Es gibt sie.“

Ludger Heuer