Vechta, 23.5.; In mehr als 760 Sprachen wurde die Bibel als Gesamtwerk inzwischen übersetzt. Nach Angaben des Weltverbandes der Bibelgesellschaften haben mehr als 6 Milliarden Menschen Zugang zu einer Heiligen Schrift in ihrer Muttersprache. Trotzdem haben nicht alle Menschen die Möglichkeit, in einer für sie verständlichen Bibel zu lesen. Darunter sind Menschen mit Beeinträchtigung oder geringen Sprachkenntnissen, die Schwierigkeiten mit dem Lese- bzw. Hörverstehen haben. Im deutschen Sprachraum werden darum zunehmend Bibeltexte in sogenannte Leichte Sprache übersetzt.
Diesem Anliegen widmet Sonja Hillebrand ihre Doktorarbeit, die im Dezember als Buch erscheint. Unter dem Titel „Ist Gott größer als der Himmel? Die Herausforderung einer Psalmenübersetzung in Leichte Sprache am Beispiel von Ps 113“ zeigt sie die Besonderheiten biblischer Sprache und einen Umgang damit beim Übersetzen in Leichte Sprache auf.
In den Psalmen wird ein sehr bildlicher Sprachstil verwendet. „Sie weisen Merkmale auf, die auf den ersten Blick allen Anforderungen der Leichten Sprache widersprechen“, leitet Hillebrand ein. In der Kirche gehe es auch um Transzendenz, also um das nicht Greifbare. „Wir sprechen darüber, was wir glauben. Das ist oft nur mit Hilfe von Bildworten möglich. Leichte Sprache dagegen fordert vom Übersetzer, auf Metaphern zu verzichten,“ erklärt sie eine der Herausforderungen in der Aufbereitung biblischer Texte.
Mit ihrer Arbeit beschreibt sie für die Praxis eine Methode, mit der auf dieses sprachliche Dilemma reagiert werden kann. „Wie schaffe ich es, den Text sprachlich zugänglich zu machen, ohne seine theologische Aussage und sein poetisches Wesen zu verfremden? Wie übersetze ich das Wort Halleluja, ohne Emotionen und die Bedeutung für unsere Religion zu verfälschen?“ fragt die Autorin.
Die Lösung findet sich im Kontext von Werbung. Hier gibt es mit Transkreation eine kultursensible Übersetzungsmethode, die sich auf das Übersetzen von Bibeltexten in Leichte Sprache übertragen lässt. Der Begriff ist ein Kunstwort, das im englischen aus den Wörtern ‚Translation‘ für Übersetzung und ‚Creation‘, für den schöpferischen Prozess gebildet wird. „Transkreation gibt die Freiheit, einen Text für die Zielgruppe anpassen zu dürfen, auch wenn dabei ein großes Maß an Kreativität notwendig ist,“ erklärt die Expertin für Leichte Sprache.
Der Psalm 113, der in der Arbeit exemplarisch behandelt wird, beginnt mit einem Fremdwort. „Halleluja“. Die Empfehlungen für Leichte Sprache lauteten, Fremdwörter durch verständliche Wörter zu ersetzen oder zu erklären. „Ersteres kommt bei der hohen theologischen Bedeutsamkeit des Hallelujas nicht in Frage,“ stellt Hillebrand fest. Auch ein erklärender Einschub sei bei einem Psalm unpassend. Religiöse Sprache transportiere nicht nur sachliche Inhalte, sie mache religiöse Inhalte erfahrbar. „Das Wort Halleluja ist für viele Menschen mit einer ganz bestimmten Stimmung verbunden. Dieses Gefühl zu transportieren ist wichtiger als das konkrete Verstehen,“ sagt sie. Signalworte wie das Halleluja seien darum auch in Leichte-Sprache-Texten unverzichtbar. Zur Unterstützung könne man die eigentliche Bedeutung zusätzlich formulieren. In Ihrer Arbeit übersetze sie Halleluja deshalb folgendermaßen in Leichte Sprache: „Ich lobe Gott. Ich singe Halleluja.“
Anders als bei der Übersetzung aus einer Fremdsprache in die deutsche Sprache, gibt es für die Übersetzung in Leichte Sprache kein einheitliches Regelwerk. Hier verweist die Doktorandin in ihrer Arbeit auf einen Orientierungsrahmen. Dieser wurde an der Universität Leipzig entwickelt und ermöglicht es Texte an die je individuelle Situation anzupassen. „Es gibt fünf sogenannte Angemessenheitsfaktoren, die bei jeder Übersetzung in Leichte Sprache in den Blick genommen werden müssen,“ stellt Hillebrand fest: 1. Adressat, 2. Textfunktion, 3. Inhalt, 4. Situation und 5. Sender.
„Mit diesem Orientierungsrahmen und kreativer Freiheit in der Methode Transkreation gelingt es, theologische Botschaften, die uns wichtig sind, auf die Zielgruppe anzupassen. Wir sagen das, was wir verstehen, in einfacheren Worten,“ fasst Hillebrand zusammen. „In den Psalmen wird zum Beispiel mal vom Herrn geredet, mal von Gott, mal vom Namen des Herrn und sogar von der Herrlichkeit des Herrn. Gemeint ist aber immer dasselbe Subjekt: Gott.“
Sonja Hillebrand (44) ist Theologin im Bischöflich Münsterschen Offizialat Vechta und dort zuständig für das Mentorat in der Kirche am Campus, die Begleitung der Katholischen Öffentlichen Büchereien und die Unterstützung der Pfarreien in der Kirchenentwicklung. Die Promotion erfolgte nebenberuflich. Das Bischöflich Münstersche Offizialat unterstützt finanziell die Publikation der Arbeit.
Literaturangabe:
„Ist Gott größer als der Himmel? Die Herausforderung einer Psalmenübersetzung in Leichte Sprache am Beispiel von Ps 113“; Vandenhoeck & Ruprecht Verlage; Erscheinungstermin Dezember 2025; ISBN: 978-3-8471-1890-9.
Darüber hinaus erscheint im Jahr 2026 ein Praxishandbuch zur Übersetzung von Psalmen in Leichte Sprache. Darin wird die wissenschaftliche Arbeit aufbereitet für die Praxis von Priestern, Pastoralen Mitarbeitenden, Katecheten, Lehrkräften usw..