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Das Gloria in einer unheilen Welt

18. Dezember 2025 - Vechta

Weihbischof Wilfried Theising zur Weihnacht 2025

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Foto aus des Gotteslob

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Portraitfoto Weihbischof Theising

In diesen Tagen stellt sich nicht nur mir eine drängende Frage: Kann das Gloria der Heiligen Nacht angesichts der Konflikte und Probleme in Politik, Welt und Gesellschaft noch guten Gewissens gesungen werden? Dieses uralte „Ehre sei Gott in der Höhe“ klingt himmelweit entfernt von den Spannungen, in denen wir leben: Polarisierung, Misstrauen, Kriege, soziale Härten, ökologische Erschöpfung. Mancher spürt beim Singen eher einen Kloß im Hals als Jubel im Herzen.

Doch vielleicht liegt gerade hier der tiefere Sinn dieses Lobgesangs. Das Gloria wurde nicht in eine ideale Welt hineingesungen. Die Hirten auf den Feldern lebten unter römischer Besatzung in Armut und Unsicherheit. Auch damals gab es politische Spannungen, gesellschaftliche Spaltungen und religiöse Unversöhntheit. Und gerade dort, in diese unheile Welt, brach der Gesang der Engel hinein. Nicht als Schönwetterliturgie, sondern als Widerwort gegen die Verzweiflung.

Wenn wir heute das Gloria singen, tun wir es nicht als Verdrängung der Realitäten, sondern als bewussten Protestgesang gegen die Logik von Verzweiflung und Angst. Es ist das Bekenntnis, dass Gewalt nicht das letzte Wort haben wird, dass Wahrheit stärker ist als Manipulation, dass Menschenwürde kein verhandelbares Gut ist. Das Gloria ist keine naive Freude, sondern eine im Glauben gründende Hoffnung.

Zugleich fordert der Gloriagesang uns im zweiten Vers heraus: „Friede den Menschen seiner Gnade“. Gnade ist kein göttliches Geschenk ohne Verantwortung. Sie erinnert uns daran, dass Frieden nicht ohne uns entsteht, nicht ohne unser Hinschauen, nicht ohne unseren Mut, nicht ohne unsere Bereitschaft, Brücken zu bauen. Wer das Gloria singt, bekennt sich damit zu einer Haltung. Zur Geduld im Streit, zur Barmherzigkeit im Urteil, zur Ehrlichkeit im politischen Ringen. Es ist ein Versprechen nicht nur an Gott, sondern auch aneinander.

Ich verstehe jeden, der in diesen Zeiten zögert. Und doch bin ich überzeugt, gerade jetzt muss das Gloria gesungen werden. Vielleicht leiser, vielleicht brüchiger, vielleicht begleitet von einem Moment des Innehaltens. Aber gerade dadurch wird der Gesang authentisch. Denn Weihnachten ist nicht die Feier dessen, was schon gelungen ist, sondern dessen, was von Gott her möglich wird.

Wenn wir in der Heiligen Nacht anheben, das Gloria zu singen, dann tun wir es als Menschen, die wissen, ohne das Licht der Hoffnung würden wir erdrückt von der Schwere unserer Zeit. Deshalb: Ja, wir können es noch voller Überzeugung singen – nicht trotz der Zustände, sondern wegen ihnen. Es ist ein Ausdruck der Hoffnung, ein Aufruf zum Engagement und ein Zeichen, dass wir Menschen nicht der Resignation überlassen sind. In der Heiligen Nacht, wenn wir das Gloria anstimmen, setzen wir ein bewusstes Zeichen für Frieden, für Gerechtigkeit und für die Möglichkeit, dass Licht in die Dunkelheit dringt.

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seiner Gnade. Frohe Weihnachten!

+Wilfried Theising
Bischöflicher Offizial und Weihbischof